Solarpflicht für Neubauten und Dachsanierungen kommt – aber wann und für wen?

    06.07.2021
  • Lesezeit ca. 3:30 Minuten
Einfamilienhaus mit Solaranlage
© esbobeldijk/www.shutterstock.com

Erneuerbare Energien müssen stark ausgebaut werden, sollen sie Kernkraft, Kohle und andere fossile Energieträger einmal ersetzen. Nach dem Willen einiger Bundesländer und der Bundesregierung müssen dabei in der Zukunft auch private Einfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser mithelfen – Stichwort: Solarpflicht. Was kommt da auf Bauherren oder Immobilienbesitzer zu?


Kurz vor Ende ihrer Amtszeitung hat die Bundesregierung noch das „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“ aufgelegt. Die darin enthaltene Novelle des Klimaschutzgesetzes war durch die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach mehr Klimaschutzmaßnahmen im Frühjahr 2021 dringend notwendig geworden. In seiner allerletzten Sitzung vor der Bundestagswahl beschloss das Parlament jetzt am 24. Juni 2021 dieses neue Klimaschutzgesetz mit den Stimmen der Regierungsparteien. Der Bundesrat stimmte nur einen Tag später zu. Aus der Opposition kommt viel Kritik und so könnte dieses Klimaschutzgesetz wieder bei den Karlsruher Richtern landen, aber bis dahin gelten für Hausbesitzer und künftige Bauherren einige wichtige Veränderungen.

Neue Auflagen zum Klimaschutz im Haus- und Wohnungsbau

Das sind die im Juni 2021 beschlossenen Maßnahmen:

  • Neubauten müssen ab 2025 die Effizienzhaus-Stufe 40 oder EH40 erfüllen. Sie garantiert einen Energieverbrauch von nur noch 40 Prozent eines Standardgebäudes oder KfW Effizienzhauses 100. Bisher stand es Häuslebauern frei, den strengen EH40-Standard umzusetzen. Aktuell gilt nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) nur die Pflicht, die Vorgaben für ein KfW Effizienzhaus 70 zu berücksichtigen – aber nicht mehr lange.
  • Schon ab 2023 müssen Neubauten den Niedrigenergiestandard EH55 erfüllen.
  • Außerdem entfällt ab 2023 die Förderung aller Heizungen mit fossilen Energieträgern durch den Bund.

Eine ursprüngliche geplante Pflicht, bei Neubauten und größeren Dachsanierungen Photovoltaik zu installieren, wurde jedoch in letzter Minute aus dem Gesetz gestrichen. Damit ist klar: Eine bundesweite Solarpflicht wird es kurzfristig nicht geben. Einige Bundesländer sind dafür allerdings schon konkreter geworden.

Regional gilt die Solarpflicht teilweise schon

In Bayern mussten mit Jahresbeginn 2021 bereits alle gewerblichen Immobilien inklusive Photovoltaik geplant und gebaut werden. Ab 2022 gilt die Pflicht dann ebenso für private Neubauten und insbesondere Einfamilienhäuser. Mit diesen Regeln ist der Freistaat Bayern bundesweit Vorreiter. Einige andere Länder oder Städte haben aber längst Ähnliches beschlossen.

Berlin ist im Sommer 2021 das jüngste Beispiel für die Einführung der Solarpflicht. Mit dem Solargesetz wurde sie vom Berliner Abgeordnetenhaus ab 2023 eingeführt. Neben Neubauten umfasst die Pflicht gleichzeitig Bestandsimmobilien, falls dort eine „grundlegende Dachsanierung“ vorgenommen wird. Mindestens 30 Prozent der Dachfläche müssen anschließend Sonnenkollektoren erhalten. Ausnahmen gelten nur sehr wenige: zum Beispiel für kleine Häuser mit weniger als 50 Quadratmeter Nutzfläche oder Häuser mit ungeeigneten Dächern.

Baden-Württemberg hat eine Solarpflicht ebenso beschlossen. Hier gilt sie sogar bereits mit dem Jahresbeginn 2022 – allerdings noch nicht für Privathäuser. Im Ländle sind zunächst nur neue Büro- oder Industriegebäude, Lagerhallen, Parkhäuser und ähnliche Neubauten betroffen. Maximal fünf Prozent der Geschossfläche dürfen dabei Wohnzwecken dienen. Das bedeutet umgekehrt: Größere Wohnanlagen oder Mehrfamilienhäuser fallen (noch) nicht unter die Solarpflicht.

Schleswig-Holstein schlägt den gleichen Weg bei der Solarpflicht ein. Ab 2022 oder erst 2023 gilt sie zunächst nur für Nicht-Wohngebäude. Der genaue Start steht noch nicht fest.

Der Senat der Hansestadt Hamburg will hingegen, ab 2023 Photovoltaik auf allen Neubaudächern sehen. Ab 2025 erweitert sich die Solarpflicht in Hamburg dann ebenfalls auf Dachsanierungen.

In Bremen plant die Politik sogar noch größer. Bis zum Jahr 2030 soll die Stadt eine „Solar City“ sein, in der alle Hausdächer Solaranlagen tragen. Details zur Umsetzung dieser ehrgeizigen Pläne oder zu einer Solarpflicht gibt es aber noch nicht.

Kritik und Hindernisse bei der Solarpflicht

So sinnvoll die Gesetze und Pläne für die Energiewende oder den Klimaschutz erscheinen – es gibt auch viele kritischen Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die die generelle oder mindestens eine übereilte Einführung der Solarpflicht ablehnen.

Politikerinnen wie die grüne Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop rechnen vor, dass Photovoltaikanlagen die Baukosten für ein privates Einfamilienhaus gerade einmal um zwei bis drei Prozent steigern. Bei einem neuen Mehrfamilienhaus fällt die Kostensteigerung prozentual dann noch geringer aus, argumentiert Pop. Doch in diesem Bereich sehen Kritiker gar nicht das größte Problem. Sie stellen eher die Sinnhaftigkeit einer Solarpflicht bei Dachsanierungen von Bestandsimmobilien infrage und befürchten, dass Eigentümer die Sanierung deswegen mehrheitlich so lange wie irgend möglich aufschieben.

Haus & Grund Baden-Württemberg weist außerdem auf die hohe Amortisationsdauer der meisten Solaranlagen – vor allem solchen mit Stromspeicher - hin. Hier vergehen leicht 15 Jahre und mehr, bis die Anlage ihre Kosten amortisiert hat. Bis dahin führt sie zu höheren Ausgaben für Bauen oder Wohnen, die durch allgemeine Preissteigerungen oder neue Grundsteuermodelle ohnehin schon spürbar klettern werden, gibt der Sprecher des Vereins zu bedenken.

Andere zweifeln schlicht an der Umsetzbarkeit, wenn Handwerksbetriebe schon jetzt immer mehr Probleme haben, ihre vielen Aufträge zeitnah zu erfüllen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schlägt deswegen eine Begrenzung der Solarpflicht auf öffentliche oder gewerbliche Bauten vor. Mit ihren größeren Dachflächen zeigen sie zudem ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis der Solarenergie gegenüber dem durchschnittlichen Einfamilienhaus. Der Verband warnt außerdem vor den Mehrkosten und schwindender Akzeptanz, die eine Solarpflicht bei Wohnhäusern für die vielen Mieter im Land bedeuten könnte.

Die Diskussion ist längst nicht beendet. Regional sind jedoch ebenso längst Fakten geschaffen und auch die nächste Bundesregierung wird sich vermutlich eher früher als später noch einmal mit dem Thema Solarpflicht für alle beschäftigen.

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