Volle Erwerbsminderungsrente auch bei Teil-Arbeitsfähigkeit möglich

    24.01.2020
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Einem Gerichtsurteil aus 2019 zufolge kann die volle Erwerbsminderungsrente unter bestimmten Umständen auch dann zur Auszahlung kommen, wenn Sie noch teilweise arbeitsfähig sein sollten. Im folgenden Artikel erfahren Sie die Hintergründe des Urteils und Allgemeines zur Erwerbsminderungsrente.


Einige Sozialleistungen sind der Öffentlichkeit recht bekannt – so zum Beispiel das sogenannte Arbeitslosengeld II. Die Erwerbsminderungsrente – kurz EM-Rente – gehört jedoch nicht dazu. Dabei wird die EM-Rente zur wertvollen Grundversorgung, wenn Sie als Arbeitnehmer Ihrer Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nur noch teilweise oder gar nicht mehr nachgehen können. Nach einem richterlichen Urteil kann die volle Erwerbsminderungsrente Ihnen unter Umständen selbst dann zustehen, wenn Sie noch teilweise arbeitsfähig sind.

Urteil mit klarer Aussage

Nach einem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 5 R 226/18 – Urteil vom 23. August 2019) kann ein Arbeitnehmer auch dann eine volle EM-Rente beziehen, wenn er nur einer teilweisen Minderung seiner Arbeitsfähigkeit unterliegt. Dies gilt zumindest dann, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit verschlossen bleibt. Zudem ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seinen Arbeitgeber vor Rentenbeantragung zunächst um Verringerung seiner regelmäßigen Beschäftigungszeit zu bitten.

Im Fall, den das Hessische Landessozialgericht vorliegen hatte, ging es um einen Arbeitnehmer mit psychischer Erkrankung. Aufgrund seines Leidens war dieser nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich in der Lage, seiner Beschäftigung nachzugehen. Trotz der Tatsache, dass der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz mit verkürzter Arbeitszeit zur Verfügung stellen konnte, verweigerte die Deutsche Rentenversicherung dem Mann die Zahlung einer vollen Erwerbsminderungsrente. Lediglich eine teilweise EM-Rente wurde gewährt. Die Begründung: Der Arbeitnehmer müsse gegenüber seinem Arbeitgeber zunächst seinen Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit geltend machen. Gegen diese Ablehnung der vollen Erwerbsminderungsrente klagte der Betroffene.

Details zur Erwerbsminderungsrente

Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente?

Die Erwerbsminderungsrente zählt zu den wichtigsten Sozialleistungen hierzulande. Allerdings bewegt sich deren Höhe auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Folgende Aspekte wirken sich auf die Höhe der Erwerbsminderungsrente aus:

  • Liegt eine volle oder eine teilweise Erwerbsminderung vor?
  • Wie lange hat der Antragsteller bereits in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt?
  • Wie hoch ist der Nettoverdienst des Antragstellers?

Für die Höhe der voraussichtlichen Erwerbsminderungsrente gilt eine Faustformel. Danach liegt die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente im Regelfall bei rund 50 Prozent des Nettogehalts. Eine teilweise Erwerbsminderungsrente bewegt sich meist bei nur ca. 25 Prozent des Nettoeinkommens.

Lesen Sie auch: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Welche Voraussetzungen gelten für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente?

Um erfolgreich einen Antrag auf EM-Rente stellen zu können, müssen Sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zudem gilt eine Wartezeit von fünf Jahren. Sie müssen also bereits mindestens fünf Jahre lang Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben, wobei einige beitragsfreie Phasen des Berufslebens zu dieser Wartezeit zählen. So etwa Kindererziehungszeiten oder Zeiten des Krankengeldbezugs.

Grundsätzlich gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Das bedeutet, dass der Rententräger zunächst prüft, ob Ihre Arbeitsfähigkeit mithilfe einer Reha wieder vollständig hergestellt werden kann. Für die volle Erwerbsminderungsrente dürfen Sie höchstens noch drei Stunden täglich arbeiten können. Für die teilweise EM-Rente gilt eine Arbeitszeit von drei bis unter sechs Stunden pro Tag.

Wie viel dürfen EM-Rentner hinzuverdienen?

Selbst eine volle Erwerbsminderungsrente reicht selten zur Deckung aller Kosten des täglichen Bedarfs. Deshalb sind viele Betroffene gezwungen, Nebeneinkünfte zu erzielen. Deren Höhe ist allerdings begrenzt.

Als Bezieher einer vollen EM-Rente dürfen Sie aktuell bis zu 6.300 Euro pro Jahr hinzuverdienen. Darüber hinausgehende Beträge werden zu mindestens 40 Prozent auf die gewährte Erwerbsminderungsrente angerechnet. Deutlich höher ist der mögliche Zuverdienst, wenn Sie eine halbe Erwerbsminderungsrente beziehen sollten. In diesem Fall wird die Grenze individuell berechnet, wobei das beitragspflichtige Einkommen der letzten 15 Jahre vor dem Rentenbezug maßgeblich für die Berechnung ist.

Tipps rund um die Erwerbsminderungsrente

Nach Zahlen von Stiftung Warentest beziehen hierzulande immerhin 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Und grundsätzlich kann es jeden treffen. Beachten Sie folgende Tipps, um im Fall der Fälle besser gewappnet zu sein:

  • Klären Sie vorab Ihr Rentenkonto, damit es im Ernstfall zu keinen unnötigen Verzögerungen kommt. Ihr Rentenversicherungsträger hilft Ihnen dabei. Dazu können einen Antrag auf Kontenklärung stellen.
  • Private Vorsorge schafft Sicherheit. Mithilfe einer Berufsunfähigkeitsversicherung können Sie Ihr Einkommen im Fall der Fälle deutlich steigern. Eine solche Rente unterliegt im Regelfall keinen Wartezeiten. Zudem wird eine Berufsunfähigkeitsrente nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet.
  • Greifen Sie im Ernstfall auf die Mitgliedschaft in einem Sozialverband (zum Beispiel VdK oder SoVD) zurück. Dessen Fachleute stehen Ihnen beratend und unterstützend zur Seite.
  • Widersprechen Sie immer einem erstmalig abgelehnten Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Holen Sie in diesem Fall fachlichen Rat ein – zum Beispiel bei VdK oder SoVD.
  • Wenn möglich, sollten Sie als Bezieher einer EM-Rente einen Zuverdienst anstreben.
  • Ist Ihre EM-Rente (und Ihr eventueller Zuverdienst) nicht ausreichend zum Leben, sollten Sie am besten einen Antrag auf Grundsicherung bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. So stocken Sie Ihre EM-Rente entsprechend auf.

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